22.01.2015
Saftige Forderungen: Fonds und Wölbern Invest-Insolvenzverwalter verlangen Millionen von Bird & Bird
Rund 30 Fonds sowie der Insolvenzverwalter des Hamburger Emissionshauses Wölbern Invest, Tjark Thies aus der Kanzlei Reimer, verklagen Bird & Bird auf mindestens 130 Millionen Euro Schadensersatz (Az . 327/0 637/14). Weitere 1,5 Millionen Euro fordern die Fonds gesamtschuldnerisch von einem aktuellen und zwei früheren Anwälten der Kanzlei, dem Counsel Dr. Ole Brühl und den Ex-Partnern Frank Moerchen und Thomas Demmel.
Das Hamburger Anwaltstrio und damit auch mittelbar die Kanzlei sollen in der Beratung von Wölbern Invest elementare anwaltliche Pflichten verletzt haben und es dem früheren Chef des Emissionshauses, Prof. Dr. Heinrich Schulte, dadurch ermöglicht haben, im großen Stil Gelder zu veruntreuen. Schulte, der seit September 2013 in Untersuchungshaft sitzt und die Vorwürfe bestreitet, muss sich derzeit vor dem Hamburger Landgericht wegen gewerbsmäßiger Untreue in besonders schwerem Fall verantworten. Der zwischen 2011 und 2013 verursachte Schaden soll bei knapp 150 Millionen Euro liegen. In der Sache läuft außerdem bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Untreue gegen Brühl.
Die Staatsanwaltschaft hatte die Rolle der Kanzlei und ihrer Anwälte schon in der Anklageschrift gegen Schulte, die JUVE vorliegt, kritisch beleuchtet. So wirft sie darin etwa Moerchen vor, Darlehensverträge nicht geprüft und offenbar teils erst im Nachhinein den Rahmen dafür geschaffen zu haben, dass Gelder abgezogen werden konnten. Auch auf Basis dieser Vorwürfe hatten zahlreiche Wölbern-Fonds unter Führung des Emissionshauses Paribus bereits vor Monaten damit begonnen, eine Schadensersatzklage gegen Bird & Bird zu prüfen. Paribus hatte vor gut einem Jahr das Management eines Großteils der Wölbern-Immobilienfonds übernommen, aus denen Schulte Millionensummen entnommen hatte.
JUVE-Recherchen zufolge hatte die Sozietät Ince & Co., die Bird & Bird in der Sache berät, ein außergerichtliches Schieds- oder Mediationsverfahren im Oktober 2014 abgelehnt. Kurz vor Weihnachten reichten die Fonds die Klage dann ein.
Bird & Bird: “An keiner Stelle Rechtsverletzungen legitimiert”
Bird & Bird nahm auf JUVE-Nachfrage dazu Stellung: „Nach Sichtung der uns inzwischen vorliegenden Klageschrift sehen wir unverändert keine Grundlage für eine Klage. Wir werden uns daher mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln entschieden zur Wehr setzen und die darin geäußerten Aussagen vollständig ausräumen. Bird & Bird hat sich im Rahmen der Beratung der Wölbern Gruppe im rechtlich zulässigen Rahmen bewegt und an keiner Stelle Rechtsverletzungen legitimiert.“
Die 264 Seiten starke, JUVE vorliegende Klage könnte für die Kanzlei und ihre Berater fatale Folgen haben. Denn die Kläger werfen den drei Anwälten vorsätzliche unerlaubte Handlungen vor. Sollten sich diese Vorwürfe nach Ansicht des Gerichts so bestätigen, und die Kanzlei deshalb zu Schadensersatz verurteilt werden, könnte dies für die einzelnen Anwälte sogar einen Versicherungsschutz aushebeln. Die als LLP firmierende britische Sozietät wäre in dieser Hinsicht besser gestellt. Für sie würde nach den Regularien der von der britischen Aufsichtsbehörde Solicitors Regulation Authority vorgegebenen Bedingungen für den Versicherungsschutz auch in einem solchen Falle Schutz bestehen. Versichert ist die Sozietät dem Vernehmen nach bei der US-Gesellschaft Travelers.
Die Inhalte der jetzigen Klage wie auch die der Anklageschrift gegen Schulte werfen eine ganze Reihe Fragen zu den Handlungen der Bird & Bird-Anwälte auf. Insbesondere der rechtliche Rahmen, der die Entnahmen von Geldern aus Fondsgesellschaften legitimieren sollte, steht dabei im Mittelpunkt. Selbst in Augen der Anwälte war die rechtliche Konstruktion demnach “nicht ohne”. Dies geht aus E-Mail-Verkehr von Partner Moerchen mit Wölbern-Chef Schulte hervor. Abseits davon hätten die Rechtsberater in Augen der Staatsanwaltschaft kritische Fragen nur unzureichend beantwortet, die insbesondere von Vorständen aus der Wölbern-Gruppe zur finanziellen Situation gestellt worden waren.
Vertreter Fonds/Insolvenzverwalter
Heuking Kühn Lüer Wojtek (Hamburg): Dr. Christoph Froning
Heuking Kühn Lüer Wojtek (Hamburg): Dr. Christoph Froning
Vertreter Bird & Bird, Moerchen, Demmel, Brühl
Ince & Co.: Dr. Markus Eichhorst (Hamburg), Jan Heuvels (London) – aus dem Markt bekannt
Ince & Co.: Dr. Markus Eichhorst (Hamburg), Jan Heuvels (London) – aus dem Markt bekannt
Landgericht Hamburg, 27. Zivilkammer
Stephanie Zöllner (Vorsitzende Richterin)
Stephanie Zöllner (Vorsitzende Richterin)
Hintergrund: Dem Vernehmen nach gehört Ince zu den bevorzugten Beratern des Bird & Bird-Versicherers Travelers. Diese Kontakte sollen nun auch ausschlaggebend für die Mandatierung durch Bird & Bird sein. In Fällen wie dem vorliegenden übernimmt der Versicherer üblicherweise die Rechtsberaterkosten. Soweit bekannt ist das Londoner Büro von Ince für einige Kanzleien in Haftungsfällen tätig.
Aufseiten der klagenden Fonds kam der Kontakt zu Heuking und deren Partner Froning auf Empfehlung des Insolvenzverwalters Thies zustande. Darüber hinaus arbeitet auch das Emissionshaus Paribus, das hinter der Klage steht, seit Langem an verschiedenen Stellen mit Heuking zusammen.
Moerchen und Demmel sind nicht mehr für Bird & Bird tätig, sie schieden Ende 2013 bzw. Anfang 2014 aus der Sozietät aus. Anders als gegen Brühl wird gegen sie im Wölbern-Komplex bisher nicht ermittelt. Moerchen war unterdessen im vergangenen Jahr in einer anderen Sache vor dem Landgericht Augsburg angeklagt, als ihm Beihilfe zum Bankrott des Automobilzulieferers Weigl vorgeworfen wurde. Das Verfahren wurde gegen eine sechsstellige Geldauflage eingestellt. (René Bender)
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