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Mittwoch, 8. Juli 2015

hier müsst ihr euch leider durchbeissen um das Spannungsfeld von positivem und negativem Interesse zu verstehen....

DER UMFANG DES SCHADENSERSATZES

Positives Interesse, negatives Interesse und Integritätsinteresse sind die wichtigen Begriffe, die bei der Prüfung des Umfanges des Schadensersatzes eine Rolle spielen. Die Klärung dieser drei Begriffe ist Gegenstand des Beitrages.
Bei der Prüfung des ersatzfähigen Schadens sind im Wesentlichen drei Schritte zu befolgen:
1.) Ist ein Schaden entstanden? (Abgrenzung zu Aufwendungen, materieller oder immaterieller Schaden, positives/negatives Interesse/Integritätsinteresse)
2.) Haftungsausfüllende Kausalität ( psychisch vermittelte Kausalität, rechtmäßiges Alternativverhalten etc.)
3.) Schadenshöhe (Berechnung nach der Differenzhypothese, Vorteilsanrechnung etc., ggf. hier positives/negatives Interesse/Integritätsinteresse)
Während die verschiedenen Problemkreise im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität und der Vorteilsanrechnung mit relativ wenig Aufwand auswendig gelernt werden können, ist vielen Studenten häufig nicht klar, was genau die Begriffe positives/negatives Interesse/Integritätsinteresse bedeuten und wo diese einzuordnen sind.

I.) ALLGEMEINES

Ausgangspunkt ist das Gesetz selbst, welches neben materiellen und immateriellenSchäden auch zwischen Nichterfüllungsschaden (positives Interesse),Vertrauensschaden (negatives Interesse) und Schaden durch Verletzung rechtlich geschützter Güter (Integritätsinteresse) unterscheidet.
Zum Teil wird diese Unterscheidung im Rahmen der Frage 1.) Schaden entstanden? eingeordnet, in der Klausur spielt sie jedoch wohl eher im Rahmen der Frage 3.)Schadenshöhe, wo sie nicht nur abstrakte Vorfrage, sondern konkrete Grundlage für die Bestimmung des Umfangs ist, eine Rolle. Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Interessensarten spielt nur bei manchen Anspruchsgrundlagen eine Rolle und richtet sich nach dem Schutzzweck der speziellen Anspruchsgrundlage.
Darauf basierend können die genannten Interessen zunächst in zwei große Gruppen eingeteilt werden:

1. INTERESSE AM SCHUTZ DES HINZUERWERBS UND DEM ERHALT EINER GLEICHWERTIGEN LEISTUNG

Hierunter fällt das positive Interesse, auch als Äquivalenzinteresse, bezeichnet. Wer einen Vertrag abschließt, hat ein Interesse daran eine, seiner Leistung entsprechende, gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.

2. INTERESSE AN DER RECHTSBEWAHRUNG

Hierunter fallen sowohl das negative Interesse als auch das Integritätsinteresse. Es geht darum, dass derjenige, der im Rechtsverkehr auftritt in Bezug auf seine Rechtsgüter und sein Vertrauen zu schützen ist. Der status quo soll insoweit nicht (negativ) verändert werden.

 II.) BEGRIFFE

Aus § 249 I BGB folgt, dass der Geschädigte grundsätzlich so zu stellen ist, wie er stünde, wenn das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre. Das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis ist, richtet sich dabei ebenfalls nach der einschlägigen Anspruchsgrundlage und nach deren Schutzzweck.

1. POSITIVES INTERESSE

Beim positiven Interesse geht es um den Erfüllungsschaden, d.h. der Schaden der dadurch entsteht, dass der Vertrag nicht erfüllt wird. Das zum Schadensersatzverpflichtende Ereignis ist damit die Nichtleistung oder Nichteinhaltung einer Leistungspflicht. Dem Geschädigten geht es darum so gestellt zu werden, als seiordnungsgemäß erfüllt worden(subjektiver Wert).
z.B. A kauft bei B ein Fahrrad, Wert 100 €, Kaufpreis 120 €. B leistet nicht, so dass A ein gleichwertiges Fahrrad bei C zum Preis von 130 € erwirbt. Bei Erfüllung durch B hätte A ein Fahrrad im Wert von 100 € gehabt und 120 € bezahlt. Ohne Erfüllung hat er ein Fahrrad im Wert von 100 € und hat 130 € bezahlt. Sein Erfüllungsschaden beträgt 10 €.

2. NEGATIVES INTERESSE

Das negative Interesse ersetzt den Vertrauensschaden, d.h. den  Schaden, den man erleidet, weil auf die Gültigkeit einer Erklärung vertraut wurde. Das zum Schadensersatzverpflichtende Ereignis ist in diesem Fall die Abgabe der eigenen Willenserklärung. Dem Geschädigten geht es darum so gestellt zu werden, als habe er nie etwas von demVertrag gehört.
z.B.: A kauft von B ein Fahrrad zum Preis von 10 Euro. Noch vor Übergabe ficht A seine Erklärung wirksam an. B hätte das Fahrrad, das einen objektiven Wert von 15 Euro hat, auch an C zum Preis von 20 Euro verkaufen können, der es jetzt jedoch nicht mehr haben will.
Durch das schädigende Ereignis, die Anfechtung, ist A der Kaufpreis des C von 20 Euro entgangen. Hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen, hätte er sein Fahrrad, dessen Wert 15 Euro beträgt für 20 Euro verkauft und so 5 € erhalten. Dies ist seinVertrauensschaden.

3. INTEGRITÄTSINTERESSE

Das Integritätsinteresse betrifft den Schaden, der dadurch eintritt, dass ein Rechtsgut des Geschädigten verletzt wird. Das zum Schaden verpflichtende Ereignis ist die konkrete Rechtsgutsverletzung. Der Geschädigte ist so zu stellen, als sei diese Rechtsgutsverletzung nicht vorgefallen.

III.) UMFANG

Im Folgenden ist nun zu klären, in welchem Umfang der Schaden im Rahmen des positiven Interesses, im Rahmen des negativen Interesses und im Rahmen des Integritätsinteresses jeweils zu ersetzen ist

1. POSITIVES INTERESSE

Im Rahmen des positiven Interesses können insbesondere ersetzt werden:
– durch mangelhafte Erfüllung oder Nichterfüllung verursachter entgangener Gewinn § 252 BGB
– infolge Nichterfüllung frustrierte Aufwendungen, soweit die Rentabilitätsvermutung eingreift
– Minderwert einer nicht ordnungsgemäßen Vertragsleistung und Gutachterkosten für diese Feststellung
– die vom Geschädigten erbrachte Leistung als Mindestschaden
– Aufwendungen oder Mehrkosten im Rahmen eines Deckungskaufs, sofern durch dieNichterfüllung verursacht

2. NEGATIVES INTERESSE

Im Rahmen des negativen Interesses können insbesondere ersetzt werden:
– entgangener Gewinn sofern durch Vertrauen auf die Vertragswirksamkeit bedingt
– Nachteile, die dadurch entstanden, dass der Abschluss eines anderen Vertragsunterlassen wurde
– vergebliche Aufwendungen im Vertrauen auf die Vertragswirksamkeit
-überhöhte Leistungen des Geschädigten

3. INTEGRITÄTSINTERESSE

Im Rahmen des Integritätsinteresses kann insbesondere ersetzt werden:
– Verdienstausfall
-Wiederherstellung des erforderlichen Geldbetrags,geschädigten Rechtsguts,verbleibender Minderwert
– Bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Herstellung Wertersatz über § 251 BGB

IV.) ANSPRUCHSGRUNDLAGEN IM EINZELNEN

Im Folgenden sind die wichtigsten Anspruchsgrundlagen aufgeführt, aus welchen sich der jeweilige Umfang des Schadensersatzes ergibt.

1. POSITIVES INTERESSE

b.) § 311 a II
In beiden Fällen geht es darum den Wert der vertraglich vereinbarten und geschuldeten Leistung zu erhalten.

2. NEGATIVES INTERESSE

a.) § 122
b.) § 179 I
c.) 179 II
In den vorgenannten Fällen geht es um das Interesse am Bestand des Vertrags, worauf vertraut wurde. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das negative Interesse in §§ 122, 179 I BGB auf das positive Interesse beschränkt ist, d.h. nie höher als dieses ersatzfähig ist. Grund dafür ist der Gedanke, dass der Vertrauende auch nicht besser gestellt werden soll, als wenn sein Vertrauen gerechtfertigt gewesen wäre, bzw. der Vertrag Bestand gehabt hätte.
Vorliegend geht es um das Interesse am Vertrauensschutz bzgl. der Erklärungen desGeschäftspartners. Die möglichen Fallgestaltungen insofern nicht vielfältig und können in einem Tun oder Unterlassen liegen. Der BGH hat ausnahmsweise anerkannt, dass im Fall der arglistigen Täuschung über das Schriftformerfordernis des § 311b BGB zwar nicht der Erfüllungsschaden im Rahmen der cic ersetzbar ist, wohl aber ein entsprechender Geldbetrag verlangt werden kann, der den Erwerb eines gleichwertigenGrundstücks ermöglicht, sofern der gemäß § 125 BGB nichtige Kaufvertrag bei Einhaltung der Schriftform wirksam zustande gekommen wäre.
e.) § 284
In diesem Fall geht es letztlich auch um das Interesse am Bestand des Vertrags, auf welchen vertraut wurde.

3. INTEGRITÄTSINTERESSE

§§ 823 ff. BGB
In den genannten Fällen geht es um Ersatz des an den geschützten Rechtsgütern entstandenen Schadens.

IV.) ABGRENZUNG

An dieser Stelle erfolgt eine Abgrenzung zwischen dem positiven, dem negativen und dem Integitätsinteresse.

1. POSITIVES INTERESSE ZU INTEGRITÄTS- UND NEGATIVEM INTERESSE

Aus der unter II.) vorgenommenen Grobeinteilung der genannten Interessen ergibt sich, dass in der Regel kein Problem bei der Abgrenzung zum positiven Interesse besteht. Dieses setzt einen Vertrag voraus und ist betroffen, wenn die vertragliche erbrachteGegenleistung kein Äquivalent zur Leistung darstellt. Dieses Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung ist schon begrifflich bei den, die Rechtsbewahrung betreffenden Interessen, unerheblich. Ausnahmsweise kann es jedoch trotzdem zuklausurträchtigen Abgrenzungsproblemen kommen, nämlich im Rahmen der Problematik des „Weiterfressermangels„. Die Rechtsprechung des BGH zur fehlenden Stoffgleichheit beruht auf der Überlegung, dass ein „Weiterfressermangel„, der stoffgleich mit dem Ursprungsmangel eigentlich das Äquivalenzinteresse betrifft. Der Käufer hat nie mangelfreies Eigentum und damit keine gleichwertige Gegenleistung erworben. Dieser Umstand wird durch die §§ 437ff. BGB abschließend berücksichtigt. Das Integritätsinteresse, also das Interesse am Schutz des Rechtsguts Eigentum, ist nur dann betroffen, wenn gerade keine Stoffgleichheit vorliegt, da nur dann eine Verletzung vorliegt, die über das von den §§ 437ff. BGB abgegoltene, hinausgeht.
Das negative Interesse unterscheidet sich im Anknüpfungspunkt, nämlich Schadendurch enttäuschtes Vertrauen im Unterschied zu Schaden durch Nicht/Schlechtleistung, vom positiven Interesse(s.0.).

2. INTEGRITÄTSINTERESSE ZU NEGATIVEM INTERESSE

Das Integritätsinteresse kann im Gegensatz zum negativen Interesse nie durch das positive Interesse begrenzt sein. Darüber hinaus geht es beim negativen Interesse in der Regel um den Ersatz eines reinen Vermögensschadens. Soweit dieser im Rahmen Integritätsinteresses ersatzfähig ist, muss er an eine konkrete Rechtsgutverletzung anknüpfen.

V.) ANMERKUNGEN

Zu dem Thema dieses Artikels und  auch zum Schuldrecht AT kann ein vertiefenderCrashkurs gebucht werden oder ein Coaching im Repetitorium stattfinden.

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