Unternehmen im Gespräch: Spedition Schanz aus Ober-Ramstadt
OBER-RAMSTADT - Zwar gibt es inzwischen immer mehr Lkw-Fahrerinnen und eigene Fernseh-Formate dazu wie „Trucker-Babes“: 400 PS in zarten Frauenhänden. Aber dennoch ist die Logistikbranche weiterhin ziemlich männlich. Insofern ist die Ober-Ramstädter Spedition Schanz ungewöhnlich aufgestellt, selbst wenn der korrekte Firmenname Hans Adam Schanz GmbH & Co. KG lautet. Denn seit Mitte 2015 haben dort zwei Frauen das Steuer in der Hand: Kerstin Seibert (35) und Christine Hemmel (39), die Urenkelinnen des Gründers Adam Schanz, teilen sich die Geschäftsführung in der nunmehr vierten Generation. Und halten je 50 Prozent am Familienbetrieb.
„Wir haben halt keine Brüder“, heißt es zur Erklärung mit einem Schmunzeln während des Gespäches in dem nagelneuen, attraktiven Verwaltungsgebäude, das auch einen Schulungsraum mit 25 Plätzen bietet. Denn die Anforderungen auch in dieser Branche wachsen. Die Holzkiste von A nach B zu transportieren, das ist Vergangenheit in dicht geknüpften logistischen Netzwerken mit ihren vielfältigen Anforderungen. Freilich bringen die beiden auch viel mit, was zur Leitung des vom Fuhrunternehmen für Baustoffe zum Logistik-Dienstleister umgebauten Mittelständlers befähigt.
- STECKBRIEF
Attraktives neues Verwaltungsgebäude
Seibert ist staatlich geprüfte Betriebswirtin Verkehrswirtschaft/Logistik, Hemmel hat sich an der Fachhochschule Worms zur Diplom-Betriebswirtin ausbilden lassen und verantwortet nun vornehmlich Finanzen/Controlling. Seibert kümmert sich zusammen mit Prokurist Christoph Gerschermann ums Operative. Zudem ist Vater Hans Adam (68) ebenfalls noch teilweise im Betrieb – große Lkw und neue Technik lassen ihn einfach nicht los. Gegen solche Expertise und praktische Unterstützung haben die Töchter natürlich nichts einzuwenden.
Diese Nibelungentreue gilt auch für die Bindung zum europäischen Dispersionsfarben-Champion „Caparol“. Denn mit den Deutschen Amphibolin-Werken (DAW) von Robert Murjahn, so der korrekte Name, unmittelbarer Nachbar in Ober-Ramstadt, ist man eng verbandelt. Um es konkret zu sagen: Schanz erwirtschaftet 80 Prozent des Umsatzes von etwa acht Millionen Euro mit Caparol, dem Umsatzmilliardär. Auch das ist eine Besonderheit. Denn betriebswirtschaftlicher Risikomix sieht zweifelsfrei anders aus, was Seibert und Hemmel natürlich wissen.
Auch der Größenunterschied könnte für Stirnrunzeln sorgen. Aber es sei eben eine „gut funktionierende Partnerschaft“, bei der man für DAW zusätzlich innerbetriebliche Dienstleistungen einbringe. Hinzu komme eine hohe Flexibilität bei den Verladezeiten und eine „ausgesprochen hohe Qualität“ beim Transport. „Wir können mit Stolz sagen, dass unsere Pünktlichkeit bei 98 Prozent liegt“, so Geschäftsführerin Christine Hemmel. Aber auch Schanz hat Vorteile: man benötigt nur ein kleines eigenes Lager. Inhouse- Lösungen und die Zusammenarbeit mit großen Speditionen hatten zuvor Caparol nicht wirklich zufriedengestellt.
Schanz bringt nun 36 Lkw mit je 40 Tonnen Gesamtgewicht ein, zwei mit Stapler, der Rest mit Hebebühnen für die Lieferungen von Farben, Putzen und Dämm-Materialien. Sowie zwei Kranfahrzeuge. Eine eigene Kfz-Werkstatt mit zwei Beschäftigten kümmert sich um den Fuhrpark, was die Standzeiten verringert und die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht. Nichts ist schließlich ärgerlicher für Spediteure als stehende Lkw. „Unser Fuhrpark besteht ausschließlich aus eigenen Fahrzeugen, die allesamt die neueste Euro-6-Abgasnorm erfüllen“, so Hemmel. Jahr für Jahr werden vier bis sechs Zugmaschinen ausgetauscht – Stückpreis ungefähr 120 000 Euro netto. Alles Scania-Lkw, die bei den Fahrern so beliebt sind.
Zusammen mit der VW-Tochter Scania nimmt Schanz am Pilotprojekt auf der Autobahn A5 zwischen Weiterstadt und Zeppelinheim teil. Auf jeweils sechs Kilometern in beiden Richtungen sollen bald die Elektro-Lastzüge ihr „Hirschgeweih“ ausfahren und bei dem Feldversuch an der neuen Oberleitung Strom zapfen. Dies insbesondere für die Weiterfahrt innerhalb der Städte allein mit Batteriekraft. Schanz bringt nämlich mit sechs Lastzügen täglich 150 Tonnen Farbe zu einer Logistikfirma im Osten Frankfurts, die von dort aus dann Baumärkte mit Caparol-Produkten beliefert.
Umwelt-Engagement gehört zum Geschäftsmodell
„Wir tun gerne was in Richtung Umwelt“, so Hemmel. Als eine Testspedition gesucht wurde, war man dabei. Zumal keine Mehrkosten entstehen – und das Öko-Engagement bei Caparol gut ankam. Grünes Profil gehört bei Schanz zum Geschäftsmodell. Während sich der Test bei mehreren Lkw mit dem Antriebsmix Diesel/Flüssiggas nicht gerechnet habe und auslaufen wird, so Hemmel, sieht das bei Leichtbau-Wechselbrücken anders aus. Die lässt Schanz bei der Firma Gleich Fahrzeubau GmbH in Biebesheim TÜV-geprüft herstellen. 22 der rund 70 Wechselbrücken sind bereits in Leichtbauausführung und wiegen damit eine Tonne weniger, was die Nutzlast erhöht und je 100 Kilometer fünf bis zehn Prozent Sprit spart, „was sich rechnet“. Insgesamt verbraucht Schanz im Jahr nämlich eine Million Liter Kraftstoff. Weniger Gewicht bedeutet zugleich geringeren Reifen- und Bremsenverschleiß.
Wie bei Wettbewerbern auch wird es zunehmend schwierig, Fahrer zu finden – „der „Flaschenhals“, so Kerstin Seibert. Aber über Mundpropaganda klappt das bislang noch sehr gut, da offenbar die familiäre Atmosphäre im Betrieb besonders gefällt. Zudem bildet man derzeit zwei junge Menschen zum Berufskraftfahrer aus, sorgt also selbst vor. Ein dritter Azubi lernt Speditionskaufmann. Schwarze Zahlen fahre man stets ein, wird versichert. Zumal die leidigen und teuren Leerfahrten vor dem Hintergrund der brummenden Konjunktur momentan eher die Ausnahme sind.
Insgesamt hat Schanz 70 Beschäftigte, davon 55 in Ober-Ramstadt. Die anderen sind in den Filialen Nürnberg und Coswig nahe Dresden tätig.
Die aktuelle Betriebsgröße stimme. Und warum etwas ändern, wenn es doch gut läuft, so Seibert und Hemmel unisonso. Kontinuität ist schließlich auch ein Wert. Dass Schanz an allen Fronten zugleich sichtbar moderner wird, widerspricht dem nicht. Und sollte bei zwei jungen Chefinnen auch nicht überraschen. Schon gar nicht Männer.
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